12. Verantwortungsvoller Konsum und Produktion

Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen

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Unsere Buchempfehlungen (2)

Otto Moralverbraucher

Vom Sinn und Unsinn engagierten Konsumierens

ISBN: 978-3-280-05521-2
Autor: Caspar Dohmen
Verlag: Orell Füssli Verlag
Umfang: 221 Seiten

Rezension von Sacha Rufer, umweltnetz-schweiz

Es ist halt nichts so einfach. Dabei klingt die Idee danach: Wir Konsumenten bestrafen über die bewusste Produktwahl unökologische, unsoziale Wirtschaftskräfte und fördern und belohnen eine nachhaltige Produktion. Diesem Gedanken nachfolgend, bereitet einigen von uns der Besuch des Detailhändlers wiederholtes Kopfzerbrechen. Aber bringt’s was? Nur bedingt, argwöhnt Caspar Dohmen in seinem neuen Buch.

Auch wenn der spöttisch anmutende Titel dies vielleicht vermuten lässt: Der Wirtschaftsjournalist Caspar Dohmen verfolgt mit seinem Buch keinesfalls die Absicht, engagierte Konsumenten als fehlgeleitete Gutmenschen zu charakterisieren oder den verantwortungsbewussten Konsum auf eine Rolle als moralisches Trostpflaster zu reduzieren. Vielmehr fragt er nach, wieviel ein solcher Konsum tatsächlich bewegen kann. An Hand der Geschichte des Boykotts und des Buykotts zeigt er auf, unter welchen Vorbedingungen die Kaufkraft des engagierten Bürgers als ein Machtmittel eine intendierte Veränderung begünstigt, und wann diese Kraft verpufft. Hier kann er, an Beispielen wie der Abschaffung der Sklaverei oder Nestlé- und Shell-Boykotts, verschiedene schlüssige Erfolgsfaktoren herausarbeiten. Vor allem dem Boykott sind, solange seine Zielsetzung klar definiert war, Ausweichprodukte zur Verfügung standen und ein Missstand eindeutig benannt und überschaubar war, einige überzeugende Coups gelungen. Caspar Dohmen stellt hier nicht nur der wirtschaftlichen, sondern auch der ethischen, meinungsbildenden Kraft des Boykotts gute Noten aus. Doch seine Konsequenzen sind üblicherweise eng begrenzt: Eine breite Wirkung wie die völlige moralische Umdeutung der Sklaverei ist eine höchst seltene Ausnahme. Was wir indessen heute breiter betreiben, ist der Buykott: Die bewusste Wahl unserer Konsumgüter nach ethischen Qualitätsmerkmalen. Bio und Fair Trade sind hier die Stichworte, und Caspar Dohmens Auswertung der diesbezüglichen Erfolgsquote fällt verhaltener aus. Nicht nur, was den realen Marktanteil von ökologisch und sozial verträglichen Konsumgütern und die eingeschränkte Marktmacht von einigen besserverdienenden Mitteleuropäern betrifft, sondern ganz grundsätzlich in der Fragestellung, ob dieses Verhalten das kapitalistische, globalisierte Wirtschaftssystem im gewünschten Masse umkrempeln kann. Denn trotz aller guten Absichten handelt der verantwortungsbewusste Konsument, so Caspar Dohmen, meist weiterhin im Rahmen der Konsumlogik. Auf einschneidende Massnahmen wie einen – auch nur teilweisen – Konsumverzicht oder auch alternative Handlungsweisen wie das Reparieren statt Wegwerfen von Unterhaltungselektronik oder Kleidern lassen sich die Wenigsten ein.

Mit Konsumenten, die zwar Biofleisch, Fair-Trade-Kaffee und FSC-zertifizierte Möbel kaufen, aber auf den Shoppingtrip nach London im Billigflieger nicht verzichten wollen, lässt sich die Welt nicht verbessern, befürchtet Caspar Dohmen. Hierfür müssten wir uns auf unsere Möglichkeiten der politischen Einflussnahme besinnen. Er mag den Wert eines ethischen Konsums, der Tugenden wie Fairness, Solidarität und Umweltschutz hochhält, nicht kleinreden. Überschätzen mag er ihn indessen auch nicht. Statt einfach nur verstreute Einkaufs-Statements abzugeben und uns davon eine gerechtere, zukunftsfähigere Welt zu versprechen, sollten wir auch unsere politischen Muskeln wieder in Betrieb nehmen. In diesem Sinne erläutert er uns die Machtmechanismen von globalisierter Produktion, Marken und Konzernen, und zeigt auf, dass sich unsere eigene politische Macht keineswegs in den marginalen Grenzen hält, die die verbreitete Politikverdrossenheit uns einreden will. Während er so in seinem Buch in einem ersten Teil Konsumkritik mit unterhaltsamer Information und nachvollziehbarer Analyse verbindet, macht er im zweiten Teil Mut zu einer zielstrebigeren Veränderung. Wir schätzen zwar die meinungsbildende Wirksamkeit des verantwortungsbewussten Konsums langfristig höher ein als Caspar Dohmen, aber seiner grundsätzlichen Aussage, dass das bewusste Konsumieren keine umfassende Alternative zu politischem Handeln sein kann, schliessen wir uns in vollem Umfang an. Angesichts dessen, dass ein Wandel nun doch langsam eilt, ist dies eine wichtige Aussage, und damit: Ein wichtiges Buch.

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Greenwash Inc.

ISBN: 978-3-8321-9764-3
Autor: Karl Wolfgang Flender
Verlag: DuMont Verlag
Umfang: 391 Seiten

Rezension von Sacha Rufer, umweltnetz-schweiz

Thomas Hessel ist ein zynischer Mann. Er arbeitet für eine PR-Agentur, die sich der medialen Aufpolierung ökologisch anrüchiger Unternehmen verschrieben hat, und ist bereit, für die Erfüllung seiner grünwaschenden Tagesziele so einiges an Land- und Personenschaden in Kauf zu nehmen. Ihm folgen wir durch den Debütroman von Karl Wolfgang Flender und erleben mit, wie seiner selbstgerechten Arroganz unverhofft ein Gewissen erwächst – und wie dieses dann unter dem Andruck untragbarer Verantwortungsgefühle und seinen Instinkten der Selbstinszenierung wieder zusammenfällt…

Karl Wolfgang Flender hat sich für sein Buch umfassend kundig gemacht. Erst einmal im angelsächselnden Jargon der Werbebranche. Und dann auch in den hintersinnigen, ruchlosen Praktiken eines effizienten Greenwashing. Ersterem ist es zu verdanken, dass sein von smarter Schnoddrigkeit geprägter Erzählton nicht zur Karikatur seiner selbst gerät. Dem Zweiten dürfen wir zu Gute halten, dass sich der Autor bei seiner Darstellung der Methoden des Greenwashings nicht an einer unrealistischen Überspitzung versucht. Diese ergibt sich dann erst aus der unausgesetzten Aneinanderreihung der perfiden Manipulationen des Protagonisten und seiner brutalen Kommentare hierzu.

Das Buch zeichnet ein düsteres Porträt der Bemühungen unserer Konsumgesellschaft um Nachhaltigkeit und Fairness. In seinen besten Momenten deutet es dabei auf Missverhältnisse hin. Auf die Diskrepanz zwischen unserer wohlmeinenden Weltrettungs-mission und den existentiellen Bedürfnissen jener ärmsten Leute, die wir dahingehend zu kultivieren trachten, beispielsweise. Oder auf die Gespaltenheit in uns selbst, die wir gewissenhaft, aber bitte nicht weniger konsumieren möchten.

In seinen schlechteren Momenten… Nun, sagen wir: Das Buch lässt sich auf zwei Arten lesen. Als eine kritische Illusionsrevision, die uns die Anzeichen und Praktiken eines Greenwashing bewusst macht und uns drängt, hier bohrender nachzufragen. Das erhoffen wir uns davon. Oder dann als Rechtfertigung einer vorbeugenden Waffenstreckung, die sich angesichts unleugbarer Missstände darauf verlegt, lieber gar nichts zu ändern, als Gefahr zu laufen, im Änderungswillen den falschen Kräften das Vertrauen zu schenken. So, fürchten wir, wird es vielenteils gelesen werden.

Welche dieser beiden Interpretationen Karl Wolfgang Flender bei der Niederschrift verfolgte, wird uns nicht ganz klar – auch weil uns die Zuordnung des Buches als eine Satire zu beschränkend scheint. Als ein literarisches Werk darf es in dieser Ungewissheit natürlich stehen bleiben. Es ist ein lohnendes, aufreizendes Buch; zäh zwar zu Beginn, doch mit wachsender Dynamik und Tiefe, und brillierend in der verstörenden, da nachvollziehbaren Charakterzeichnung seines Protagonisten. Betreffs unserer ökosensi-tiven Anspruchshaltung mögen wir dem Roman seinen Beobachterstatus etwas schwerer verzeihen. Wir wollen es gleichwohl sehr gerne empfehlen: Als ein kluges und provozierend kritisches Puzzlestück zu einem reflektierten, urteilsfähigen Umwelt- und Konsumbewusstsein. Oder, simpler: Als clever bissigen Roman.

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